Rede von Franziska Bronnen beim Empfang 2008 des Oberbürgermeisters der Landeshauptstadt München, Christian Ude, für in München lebende Schauspieler
Es ist das 11. Mal, daß die Münchner Schauspielerinnen und Schauspieler sich treffen,
außer Konkurrenz sozusagen, um zu tratschen, zu jammern, zu schimpfen oder auch
zu loben. Daß es diesen Abend gibt, dafür möchten wir uns bei Ihnen, Herr Oberbürgermeister
Ude, und bei Theo Hinz, von dem die Anregung dazu stammt, sehr herzlich
bedanken. Ein solches Treffen ist einmalig in Deutschland, in Europa und wahrscheinlich
in der Welt. Glückliches München!
Was die Welt betrifft, so kann man von Glück nicht reden. Wir leben in finsteren Zeiten.
Das Geld regiert, und hat uns ins Chaos geführt. Dieses Chaos ist die Antwort auf Fragen,
die wir nicht gestellt haben, die wir versäumt haben, zu stellen. Auch wir sind davon
betroffen, denn auch der Wert des Schauspielers mißt sich nicht nur an seiner Leistung,
sondern an seinem Marktwert, sprich an der Quote – ich kann das Wort nicht mehr hören!
Der vergebliche Versuch, Marcel Reich-Ranicki den Deutschen Fernsehpreis zu überreichen,
hat eine Diskussion losgetreten, die notwendig und gut ist, auch für uns: die
Diskussion um die Qualität des Programms, speziell der gebührenfinanzierten Sender.
Ist das Publikum wirklich so, wie uns viele Sendungen zur besten Sendezeit weismachen
wollen? Will es all das wirklich? Und wenn ja, wie ist es dazu gekommen? Wer hat es so
gemacht? Ist es nur der Wettbewerb mit den Privaten? Und was ist unser Anteil daran?
Und wer sind die paar tausend Haushalte, die bestimmen, was wann gesendet wird,
und die so, über die Werbewirtschaft, das Programm beeinflussen?
Kennt jemand jemanden, der jemanden kennt, der zu diesen Auserwählten gehört?
Ich nicht.
Aber, auch wenn das Fernsehen unser Hauptarbeitgeber ist, auch das hochsubventionierte
Theater soll nicht ungeschoren davonkommen. Auch dort gibt es Produktionen
von beklagenswertem Niveau, man sitzt da als Zuschauer und denkt: die armen
Schauspieler!
Ich jedenfalls bin nicht zum Theater gegangen, um mich in Fäkalien zu wälzen und mit
Schlamm um mich zu werfen.
Aber was können wir tun? Wir Schauspieler sind von so vielem abhängig, wir sind das letzte Glied in der Kette,
und wenn die materielle Existenz auf dem Spiel steht, ist man kaum in der Situation,
sich kritisch zu äußern.
Da ist Solidarität gefragt von denen, die in der ersten Reihe sitzen.
Aber daran, unseren kritischen Verstand zu benützen und uns unsere eigene Meinung
zu bilden, kann uns niemand hindern. Freiheit, Unabhängigkeit beginnt im Kopf.
Da ist es ein Glück, daß es Drehbuchautoren, Produzenten und Regisseure gibt, die
mutig unpopuläre Stoffe realisieren, ohne auf die Quote zu schielen, und so den Ruf
unserer Branche retten. Dafür bedanken wir uns mit Respekt. Denn sie machen es
möglich, unseren Beruf, und ich sage ausdrücklich Beruf und nicht Job, so auszuüben,
wie wir es uns erträumt haben, als wir uns zu diesem oft dornigen Weg entschlossen
haben.
Wir haben das Glück, in München zu leben. München ist eine Kulturstadt.
Kultur und Kunst sind lebenswichtig.
Überhaupt ist die Kultur, die Kunst das, was uns noch retten kann, was uns bereichert
und zum Nachdenken bringt, unsere Gefühle wachhält. Und es sind nicht nur die
großen Institutionen, sondern auch die vielen kleinen Theater und Gruppen, die
freien Künstler und Musiker, die am Existenzminimum leben und Förderung verdienen.
Deshalb bitten wir Sie, Herr Oberbürgermeister, tun Sie weiterhin alles, damit der
Kulturreichtum unserer Stadt erhalten und gefördert wird.
Es gibt so viele Probleme und so viele Fragen – diskutieren wir, fragen wir!
Die schlimmsten Feinde der Künstler sind satte Zufriedenheit, Angepaßtheit und Gleichgültigkeit.
Dagegen sollten und können wir, jeder nach seinen Kräften und an seinem
Platz, ankämpfen.
Daß wir uns an einem Abend wie diesem begegnen und austauschen können, betrachten
wir als Anerkennung unserer Bemühungen, die Welt ein bisschen reicher zu machen.
Dafür bedanken wir uns bei Ihnen, Herr Oberbürgermeister, und bei der Stadt München
sehr herzlich, auch im Namen derer, die heute nicht hier sind, weil sie zum Glück
Arbeit haben.
Und damit komme ich zum letzten und erlösenden Satz:
Das Buffet ist eröffnet.